VIRAL ÜBER DIE GANZE BREITE: Liebe Ballroom Houses, hier kommt ein Brief von den Love Lazers für Euch. Wir wollen mit Euch über Ignoranz und Ablehnung sprechen, über junge kolumbianische Ballroom-Performer:innen, soeben frisch auf HIV-positiv getestet. Und wir wollen darüber sprechen, was für eine Verantwortung das für uns mit sich bringt und was wir tun können. (Juni, 2023)
Wir schreiben Euch, weil es Zeit ist, über etwas Wichtiges zu reden. Wir sind nun schon seit einigen Jahren mit Euch und Eure Szene verbunden, und wir schätzen sehr, was Ihr tut.
Wir schreiben Euch, weil wir vor einiger Zeit unseren zweiten Kiki-Ball in Kolumbien organisiert haben. Wir haben ihn KIKI VIRAL genannt und zusammen mit Ballroom Pereira veranstaltet. Hier wollen wir mit Euch teilen, was wir gelernt haben und welche Fragen offen blieben. Wir verstehen, dass die Houses „By the ‘60s, Ballroom culture was in full effect, and collective „houses“ formed to create a safe place and family structure for young queer kids who were often rejected by their biological families and were essentially homeless. At a Ball, the houses function like teams at a sporting event. While competition is the structure of a ball, it’s the creative and community experience that animates ballroom culture. For kids who are a target of hate and confusion in the outside world, the runway is a safe zone to express their creativity and talent. It’s a for them to feel fabulous and special.“
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https://web.archive.org/web/20180612142226/http://www.standardhotels.com/culture/a-gif-guide-to-voguing–short-history wichtige Player in der Prävention und im Umgang mit HIV sind und wollen das Bewusstsein dafür schärfen. Wir wollen Euch auch ermutigen, mit uns darüber ins Gespräch zu kommen.
Zunächst können wir sagen, dass unser Ball KIKI VIRAL ein Knaller war: Pereiras pulsierende Ballroom-Szene, ein junges und frisches Publikum, neu gegründete Ballroom Houses, extravagante Moves und bewegende Tänze, Kategorien zu HIV-assoziierten Themen wie Reaktion auf Ablehnung, Ausgrenzung und Stigmatisierung aufgrund von HIV innerhalb des kolumbianischen Gesundheitssystems (the walk of shame, the walk of anger). Zwischen den Kategorien schufen wir gemeinsam einen Raum, in dem es möglich war, über HIV zu sprechen. Die Intensität der Reden und der tänzerischen Ausdrucksformen hat uns den Atem verschlagen! Wir möchten Euch allen unseren tiefsten Respekt und Dank dafür aussprechen!
Mit dem KIKI VIRAL haben wir die Themen Leben mit HIV und PrEP verbunden. Wir sind der Meinung, dass Menschen mit HIV Bedürfnisse und Rechte haben, die nicht durch aktive Präventionsbemühungen legitimiert werden müssen. Eine wirksame HIV-Therapie ist gut für diejenigen, deren Viruslast nicht mehr nachweisbar ist. Es ist ein toller Nebeneffekt, die Virusübertragung vollständig zu unterdrücken und für andere ansteckend nicht mehr zu sein (nicht nachweisbar=nicht übertragbar). Wir haben auf unserem Kiki Ball versucht, dieses Wissen zu vermitteln.
Wir hatten eigentlich geplant, auch das Thema „Verantwortung der Houses“ direkt auf unserem Kiki-Ball anzusprechen. Doch für diese Frage blieb keine Zeit und wir stellen sie nun hier.
Als aktivistische Gruppe arbeiten wir seit langem mit der Ballroom-Szene und anderen unabhängigen Leuten aus dem Nachtleben zusammen. Seit das “House of Tupamaras” unser erstes Flugblatt „Ready for PrEP (in Colombia)“ mit unterstützt hat, kämpfen wir für einen breiten Zugang zu PrEP und das nun schon seit Jahren. Die Hälfte unserer Freund:innen ist jedoch in den letzten fünf Jahren selbst HIV-positiv geworden, und deshalb ist die Sache für uns dringender und zwingender als je zuvor. Nicht jede:r weiß viel über die Beziehung zwischen HIV und Ballroom-Szene (in Lateinamerika und in migrantischen Communities). Lasst uns also einen kurzen Blick darauf werfen.
BALLROOM, HIV UND GESCHICHTE
Viele von uns haben durch TV-Serien wie „Pose“ (USA, 2018) gelernt, dass die Ballroom-Kultur vor allem in den späten 80er Jahren eng mit HIV verbunden war. „Paris is Burning“ (USA, 1990) – und die Debatten um den Film nach seinem Erscheinen – haben uns in den 1990er Jahren die Augen geöffnet: die Mehrheit der Protagonisten war HIV-positiv und ihre Lebenssituation war geprägt von der Ansteckung mit HIV, aber auch von Rassismus, Armut und Gewalt auf der Straße, insbesondere auch von homo- und transfeindlicher Gewalt. Viele von ihnen starben, nachdem sie unter prekärsten, unwürdigen Bedingungen – oft ohne Zugang zu Medikamenten und medizinischer Versorgung – ausharren mussten. Die HIV-Raten waren in den afro- und lateinamerikanischen Gemeinschaften deutlich höher. Der Zugang zu Informationen und Ressourcen war schwieriger, so dass sich dort wesentlich mehr Menschen mit HIV infizieren mussten. Aber wie sah das Leben als HIV-positiver Mensch in Kolumbien zu dieser Zeit aus? – In Fernando Molanos autobiografischem Roman Vista desde una acera entdecken die beiden Protagonisten Fernando und Adrián ihre Sexualität in feindlicher Umgebung in den 80er und 90er Jahren, und es wird der Leidensweg eines der beiden beschrieben, der sich mit HIV infizierte. Die Ignoranz und Verachtung seitens des Gesundheitssystems und der Gesellschaft werden dabei thematisiert.
In Kolumbien war Manuel Velandia 1984 die erste Person, die öffentlich über HIV sprach, nachdem der allererste Fall einer HIV-Infektion in dem Land gemeldet worden war. Wie der Journalist Luis Cañón in seinem Buch Peregrinos del sida (1995) berichtet, organisierte Manuel am 28. Juni 1984, dem “Día Mundial de los Gays” (dem Christopher Street Day), in der Bar AMIGOS in Bogotá eine erste öffentliche Konferenz zum Thema HIV. Während weltweit berichtet wurde, dass HIV nur Homosexuelle infizieren würde, war der allererste Fall in Kolumbien jedoch eine Sexarbeiterin, die bereits wenige Tage vor der Konferenz in Cartagena an den Folgen von AIDS starb. Bis Mitte der 90er erhielt Manuel, der eine Stiftung namens Apoyemos leitete, immer wieder Anrufe von Menschen, die Rat suchten und jemanden brauchten, mit dem sie über das Virus sprechen konnten: hiv-positive Menschen, Angehörige, Forscher:innen. In den Jahren danach lagen die medizinische Versorgung und die HIV-Prävention in Kolumbien stets hinter den weltweiten Standards zurück, und die nationalen Infektionsraten waren vergleichsweise hoch.
und heute, mehr als 30 Jahre später, infizieren wir uns in Lateinamerika immer noch mit HIV, obwohl wir seit Jahren über wirksame neue Instrumente zur Prävention von HIV-Infektionen verfügen. Die Zahl der Neuinfektionen ist konstant hoch und steigt in Kolumbien weiter an! Heute sind auch die Ballroom Houses voll von jungen, HIV-positiven Tänzer:innen und das Stigma liegt in der Luft: Scham und Verstecken, Anschuldigungen und Angst, “echtes AIDS”, also ernsthaft erkranken und keine Krankenversicherung.
Wie auch an anderen Orten war es die Ballroom-Szene, in der Menschen zusammenkamen, die von zu Hause vertrieben wurden, weil sie trans, queer oder/und HIV-positiv sind, die auf der Straße leben oder arbeiten müssen, die nicht in die Gesellschaft passen. Die houses sind oft die letzte Zuflucht und das Zuhause der Geächteten.
UND HEUTE? – STRIKE A POS+
In den letzten Jahren wurden in Kolumbien bereits Bälle zum Thema HIV organisiert, und in einigen Fällen wurde der Name für den Ball genutzt, um ein Statement bezüglich HIV+ abzugeben, so zum Beispiel bei „VIHviendo la fantasía“, einem Ball, der von Neni Nova in der Cinemateca de Bogotá (2022) veranstaltet wurde, Neni bezeichnete die Hauptbotschaft dieses Balls als: „Das Wichtigste ist, seinen serologischen Status zu kennen, nicht, ihn zu vermeiden.“ Es sah für uns so aus, als ob die Auseinandersetzung bei anderen Bällen in den letzten Jahren nicht über den Titel hinausging (zumindest nicht öffentlich). Aber die Bälle boten Raum, um Spenden für HIV-Gemeinschaftsprojekte zu sammeln, für die Trauer um verlorene, verstorbene Mitglieder + Freund:innen und für die Unterstützung von Präventionskampagnen, wie der von Frente de Resistencia Transfeminista y Marikón gemeinsam mit uns in Pereira (2021) organisierte „Dame PrEP-AYA“-Ball, der PrEP als neue Safer-Sex-Methode propagierte.
Lukas Fauno Tropikalia, Mitglied der Ballroom-Szene in Argentinien, sagte uns: „Es scheint so, dass über HIV nicht gesprochen wird, und unsere Schwestern sterben weiter, und deren Tode sind dabei nicht immer körperlich. Es existiert auch ein Tod der Identität, ein Tod, der uns daran hindert, wir selbst zu sein, uns auszudrücken, uns zu zeigen, uns mit anderen zu teilen. Dieser Tod, durch den wir aufhören, Dinge zu tun. Und der Tod der Identität, zu dem uns diese closets (Schrank), wie der “HIV-Schrank”, treiben, ist etwas, mit dem wir uns alle auseinandersetzen müssen.“
Ein weiteres sehr persönliches Statement stammt von unserem engen Freund Esteban aus Bogotá in dem Artikel „HOMEWORK„. Seit Jahren kämpfen wir gemeinsam als Aktivist:innen für den Zugang zu PrEP in Kolumbien. PrEP über die EPS (kolumbianische Basis-Krankenkasse) zu bekommen, war für Esteban schier unmöglich und er wurde nach einigen Monaten des Kampfes mit dem Gesundheitssystem selbst HIV-positiv. Der privatisierte Gesundheitsmarkt hatte ihm nichts anzubieten. Das erinnert uns daran, dass wir alle in einem kapitalistischen Umfeld agieren, – und wir unterstützen jeden Vorschlag zur Änderung des kolumbianischen Gesundheitssystems im Sinne der Bedürfnisse der Menschen und nicht der Unternehmensprofite. Der Kampf für ein besseres Gesundheitssystem findet derzeit auf der politischen Ebene statt. Es gibt jedoch einen großen Druck seitens der wirtschaftlichen Eliten, die Reformen zu behindern, die gerade darauf abzielen, das von der derzeitigen Regierung geförderte Gesundheitssystem zu humanisieren.
Sebastián Caraballo, alias Bicha TPK, ein Tanzprofi aus Uruguay, der in Argentinien lebt, sagte 2019 in einem Podcast: „Wir sprechen nicht über HIV, bis es durch unsere eigenen Körper geht oder uns eingekreist hat“.Podcast “Danza Hedonista” by Mery Arias about body and sexuality. The episode “A tu discurso le falta virus” with Sebastián Caraballo, a.k.a. Bicha TPK, was recorded and published in 2019, The podcast talks about their personal project: https://www.ivoox.com/episodio-9-vih-a-tu-discurso-le-audios-mp3_rf_44357316_1.html
Bicha TPK sagte auch: „Nach der Diagnose hat sich mein Leben komplett verändert. Da ich mich auseinandersetzen konnte und viele Informationen bekommen habe, habe ich meine Diagnose nicht mit Angst an meine Mutter (die biologische Mutter ist gemeint, Anmerk. Love Lazers) weitergegeben, und sie hatte auch keine Angst davor. Von da an wollte ich, wenn ich an meinen persönlichen Dingen arbeitete, etwas bewältigen, wusste aber nicht, was. Bei meiner Entscheidung für Aktivismus kam die Idee der Sichtbarkeit als HIV-positive Person auf. Und ich verstehe, dass das bis heute etwas sehr Wichtiges ist, das ich oft erklären muss: Ich sage nicht, dass ich HIV habe, weil ich mit meinem Virus angeben möchte, ganz im Gegenteil, oder weil es etwas ist, worauf ich stolz bin, sondern weil es – gerade aus politischer Sicht – Waffe und Strategie, ist“.
POSITIVE BLITZLICHTER
In Kolumbien HIV-positiv sein bedeutet, unter einem Stigma zu leben, in dem die Anonymität immer noch der beste Schutz ist. Wir sind dankbar, dass während des KIKI VIRALeinige von Euch ein Statement abgegeben haben.
„Als ich einen positiven Test bekam, wurde mir klar, was für ein Stigma ich immer noch mit mir herumtrage, wenn ich mit HIV lebe. Zum Glück hatte ich das ALT.haus, das meine wichtigste Familie und meine Gemeinschaft ist und mich vom Moment des Ergebnisses an und während der Suche nach Behandlung unterstützt hat. Was ich über meine Erfahrungen mit HIV gelernt habe, ist, dass wir keine Diagnose sind, sondern Menschen, die es verdienen, frei und ohne Angst oder Stigmatisierung zu leben.“ (ALTocalcifílico aus Pereira)
„Als ich 2019 positiv getestet wurde, hatte ich mit Depressionen und Selbstmordgedanken zu kämpfen und wollte nicht mehr zu den Psychologischen Terminen gehen, weil die einzige Psychologin, die von der EPS in meinem Ort angestellt ist, in ihrer beruflichen Praxis das HIV-Stigma pflegt wie eh und je. Mir ist klar geworden, wie wichtig es ist, über HIV und psychische Gesundheit in der queeren/trans/BIPOC-Szene zu sprechen.“ (Eduard)
„Mitte der neunziger Jahre, mitten in der HIV-Krise, war ich auf mehreren Balls in New York City/USA, und dort war HIV ein ernstes Thema auf der Tanzfläche und auf der Straße nach den Bällen. So viele meiner Freund:innen wurden positiv getestet. Für mich war HIV immer mit dem verbunden, wofür der Ballroom steht: Gemeinschaft aufbauen, sich gemeinsam umeinander kümmern und sichere Räume für queere, transsexuelle und auch für BIPOC-Populationen schaffen. Eine Sache, die ich gelernt habe, ist für mich heute noch gültig: Wir haben nur uns. Und wir gehen diesen Weg gemeinsam, das gilt bis heute.“ (Falk)
Wir haben an diesem Tag gelernt, dass Raum für offene Diskussionen unerlässlich ist. Er fehlt meist und wir brauchen mehr davon.
Für eine allgemeinere Perspektive half uns DIE POETISCHE SCHREIBMASCHINE, unsere Gedanken mitzuteilen und gegen das Silencing unserer Ideen von Gemeinschaft anzukämpfen. Deshalb haben wir im KIKI VIRAL eine echte Schreibmaschine installiert. Wir haben die privatesten und geheimsten Geheimnisse gesammelt, anonym aufgeschrieben und in einem Archiv abgelegt. Die Geheimnisse waren all jenen zugänglich, die neugierig waren, sie zu lesen, sich darin poetisch zu spiegeln, zu fabulieren, zu spekulieren und sich fantastische Resultate realer Momente vorzustellen. – Was das mit HIV zu tun hat? Nun, HIV ist nichts Besonderes: es ist etwas, das manchmal Konflikte hervorruft oder einfach ein Teil unseres Lebens ist, für manche sogar ein guter Teil.
Die Wirklichkeiten sozialer Gruppen gehen über die individuellen Erfahrungen hinaus, wie Patricia Hill Collins schrieb: Vom feministischen Standpunkt aus sei es notwendig, die gemeinsamen Erfahrungen in hierarchischen Machtverhältnissen zu betrachten. Die modernsten Vorstellungen, die von Individualität sprechen, „reduzieren die Bedeutung des Gruppenbewusstseins und der ‚Stimme‘ innerhalb einer ganzen Struktur von Macht und Erfahrung.“
Unser Archiv der Geheimnisse geht über diesen engen Rahmen hinaus: Andere haben andere Themen, und so vieles verbindet uns, ist uns vertraut. Lasst uns voneinander lernen. Unser Archiv wird auch weiterhin Geheimnisse aufnehmen, und zwar mit unserer Reiseschreibmaschine THE POETIC TYPEWRITER auf verschiedenen Kontinenten. Das gilt auch für das Bedürfnis, über HIV zu sprechen: wir als Love Lazers diskutieren neue Formen, um in naher Zukunft einen geschützten Raum für einen achtsamen Gedankenaustausch zu schaffen. Die Ballroom Houses können mit helfen, diesen Raum zu schaffen und das Gespräch zu beginnen!
HEUTE POS+ GETESTET WERDEN
Wir haben während unseres Kiki-Balls vor Ort Tests durch ein mobiles Labor angeboten. Es wurde vom örtlichen Amt für öffentliche Gesundheit und soziale Sicherung der Stadt Pereira (das auch jeden Freitag in der 19th Street # 5-33 kostenlose Schnelltests anbietet) für unser KIKI VIRAL zur Verfügung gestellt. Die Tatsache, dass die Teilnehmer:innen während unserer Veranstaltung nicht nur mit ihren positiven Testergebnissen für STI, sondern auch für HIV konfrontiert wurden, hat uns sehr getroffen – nicht nur, weil vor allem junge Menschen anwesend waren. Es zeigt, dass unser Kampf noch lange nicht zu Ende ist: Niemand ist allein. Keiner sollte allein sein. Gleichzeitig ist es gut, dass das Testing hier stattfand und nicht später oder zu einem anderen Zeitpunkt. Heute ist hier und unser Leben ist jetzt!
WARUM IST LOVE LAZERS KEIN HOUSE?
Wir sind eine aktivistische Gruppe ohne rechtlichen Status, die sich der Ballroom-Szene nahe fühlt, da wir einige der gleichen Probleme und Herausforderungen haben wie sie. Als Gruppe legen wir Wert auf unsere Unabhängigkeit. Wir sind heiß auf das Nachtleben. Wir sind Freigeister. Einige von uns sind positiv, andere sind negativ oder ungetestet. Einige von uns haben Erfahrungen mit und in der Ballroom-Szene sowie mit Underground-Techno. Vielleicht etwas anders als die Houses, arbeiten wir sehr textbasiert: Wir sehen unsere Aufgabe darin, seriöse Informationen bereitzustellen, die die Möglichkeiten der oder des Einzelnen in Bezug auf eine freudvolle Sexualität, Freiheitsrechte und Emanzipation erweitern. Wir sind Aktivist:innen und lassen uns unseren Widerstand nicht nehmen. All das und die Tatsache, dass einige von uns in unserer Berliner Gruppe Migrant:innen aus Lateinamerika sind, ist es, was uns seit Jahren so stark mit der Ballszene verbindet.
SAFER BALLROOM
Beim Vorbereiten des KIKI VIRAL haben wir darüber diskutiert, inwieweit die Ballroom-Szene
ein produktiver und sicherer Raum für ihre Mitglieder ist. Manchmal haben wir den Eindruck, dass die Ballsaal-Szene eine Bühne für unerbittlichen Streit in den sozialen Medien und für cancel culture ist, für Streit darüber, wer Recht hat, für Klatsch und Tratsch und Streit.
Aus der Perspektive von HIV-positiven Mitgliedern ist ein House (vorübergehend) ein Zufluchtsort und deren sozialer Zusammenhalt sollte kein Runway sein: Wir alle wollen als Personen geliebt und akzeptiert werden, weil wir es sind, nicht weil wir etwas leisten. Wir haben den Eindruck, dass dies in der Praxis nicht immer der Fall ist oder missverstanden wird.
Wir sind uns aber auch bewusst, Houses als nicht-kapitalistische Schutzräume vorzuschlagen und ein solidarisches Umfeld zu schaffen, während wir de facto immer noch unter kapitalistischen Bedingungen leben, kann als Wahl des Lebensstils oder ein Privileg angesehen werden, das sich heutzutage nur sehr wenige leisten können. Andererseits ist ein solcher Raum vielleicht wichtiger denn je, um zusammenzustehen und nicht in den neoliberalen Wellen unterzugehen. Wir laden Euch ein, dieses spannende Thema mit uns weiter zu diskutieren!
HOLD THAT POS+ FOR ME!
Wir stellen fest, dass Ihr als Houses wichtige Player im Bereich HIV und Prävention seid. Ihr seid eines der wichtigsten Care-Netzwerke in der Community. Wir denken aber, dass Ihr noch mehr tun könnt:
Bekämpft Stigmatisierung auf allen Ebenen!
Schafft und schützt sichere Räume für Kommunikation über HIV-positive Sein (auch für nicht-pos+ Menschen)!
Wir möchten Euch auch dazu ermutigen, Tests anzubieten (oder darüber zu informieren) sowie Menschen dabei zu unterstützen, über ihren serologischen Status Bescheid zu wissen, und über Geschlechtskrankheiten, Behandlung und Safer Sex zu sprechen.
Obwohl das Meiste in die Zuständigkeit des kolumbianischen Staates und seines Ministeriums für Gesundheit und soziale Sicherheit fällt, könnt Ihr einen Beitrag leisten, indem Ihr Eure Stimme erhebt und das Recht von Seropositiven auf Information, Behandlung und Krankenversicherung einfordert.
Setzt Euch öffentlich für das Recht auf Zugang zu HIV-Therapie für alle ein, auch für diejenigen, die nicht krankenversichert sind! Helft bei der Suche nach einer Gesundheitsversorgung/Krankenversicherung für die, die keine haben, so gut Ihr könnt!
Ballroom hat seine ganz eigene Geschichte (in seinen zeitgeschichtlichen Umständen): Schaffen wir gemeinsam einen Raum zum Erinnern, Trauern und Erzählen dieser Geschichte unserer Szene!
Außerdem hat PrEP ein großes Potential, die Spirale der Neuinfektionen zu durchbrechen und bietet gleichzeitig die Chance, HIV/AIDS zu entstigmatisieren. Lasst uns gemeinsam für einen breiten Zugang kämpfen: PrEP für alle, die es brauchen!
Das sind einige Gedanken, die wir zu diesem Thema haben. Viele Fragen sind offen und wir haben einige davon auf Zetteln niedergeschrieben, die beim KIKI VIRAL zum Nachlesen für alle auslagen. Siehe Fotos!
Wir freuen uns, wenn wir uns bald sehen und weiter tolle Sachen zusammen starten! Ihr könnt uns jederzeit schreiben und wir werden für Euch da sein.
Für immer dein!
Eure Love Lazers
© Love Lazers, 2023. Alle Rechte vorbehalten. Foto: Diashi, Misteika after the Ball, 2023. Die Kolumbien-Kampagne 2023 wird finanziell unterstützt von Hot Club Zürich, von Q-tekk Berlin und about blank Berlin.