An den Boxen links

… war eine Ausstellung im Objekt klein a, deren Arbeiten und Texte auf den Dancefloors des Dresdner Klubs gezeigt wurden. Die Raver konnten die auch auf Postkarten gedruckten Motive in die Hosentasche stecken und später mit nach Hause nehmen.

Wo wir eine Fortsetzung der 2018-2019 begonnenen Ausstellung finden werden, steht schon fest: an den Boxen links. Nur wann – das ist noch unklar.

WAS EINEN GUTEN DANCEFLOOR AUSMACHT

Ein guter Dancefloor ist hartes Ringen. Jeder Moment hergestellt. Hier wird Fremden Wasser gereicht. Flaschen gehen zu Bruch. Scherben werden weggeräumt. Auf einem guten Dancefloor erfährt man das Neueste sofort. Hier wird geknutscht, seine Energie ökologisch erzeugt. Auf ihn fallen Tränen. Und doch lässt er uns alle gut aussehen. Fotografieren nicht nötig. Auf einem guten Dancefloor gibt es von allem Guten zu viel. Eine Einladung und ein Zuhause. Ein sicherer Ort für Homos, Trans*, Queers und für all die anderen. Auf ihm kann alles passieren, aber Nein bleibt immer Nein. Konsens ist hier enthusiastisch. Der Dancefloor kennt kein Alter, er liebt die Unendlichkeit. Sein Esprit lebt von der Diversität: vom Aussehen, den Vorlieben, Herkünften und körperlichen Konstitutionen aller, die gekommen sind. This Must Be The Place. Zettel, Stift, alles ist hier sofort zu besorgen. Auf einem guten Dancefloor wird zum Genuss konsumiert. Sachen gehen richtig schief. Anfänge großartiger Freundschaften. Sich vollkommen verlieren dürfen, das ist ok. Wir sind ja da. Hier wird geklatscht. awareness groß geschrieben. Staub steht in der Luft. Wer sich nicht benimmt, bekommt eine Ansage. Und wer nicht versteht, muss leider gehen. Ein guter Dancefloor öffnet unsere Wahrnehmung. Auf ihm wird gegeben wie genommen, richtig Quatsch gemacht. Ein guter Dancefloor ist so gut wie die, die ihn ertanzen. Im besten Falle bleibt ein guter Dancefloor für immer eine Lücke.


Illustration: Theresa Rothe

MOVE ANY MOUNTAIN

Can You Feel It? I Can Feel It. In the Heat of the Night. Domina CC RMX. I’ve Lost Control. Only Wanted To Be. Just Not Norma. Good Time. Step By Step. Never Gonna Let You Go ’97. Lack of Love. Three Pills Into A Fist. The Thief That Stole My Sad Days. I Can’t Forget. I Need A Friend. Let Me Show You Love. You’re So Just Just. Let Me Love You for Tonight. I’ll Say A Prayer 4 U. Your Love Will Set You Free. I Write Your Name. What’s Your Number? I’ll House you. What About This Love? The Further You Look The Less You Will See. Boom Boom Boom. Shake Your Body. Supermodel (You Better Work). Just Like A Queen. Is It All Over My Face? Juicy Sushi. Revenge Of The Orange. Low Tension. Body Drill. Sugar is Sweeter. Moment Of My Life. Break 4 Luv. Got To Be Real. Music Sounds Better with You. (I Wanna Give You) Devotion. Pump Up the Volume. Music is the Answer. 7 Ways to Jack. This is Acid. Mommy What’s A Record? What Is House Muzik. Yo Yo Get Funky. Here Is Your Trance Now Dance. The Real Thing (If I Can’t Have You). It’s Up To You. Did You Take My Money? Intoxication. Land of Confusion. House Nation. City Lights. The Sun Can’t Compare. Take Some Time Out. Bring Down the Walls. Soul Revolution. Can You Dig It? Passion (Do You Want it Right Now?). Love Hangover.


Illustration: Theresa Rothe

ABSOLUT, HIER UND JETZT

Die Sonntagssonne scheint trüb, aber warm auf die komplett besetzte Couch. Die Runde illuster, die Aschenbecher voll. Sie hört sich selbst reden und reden. Davon, in was für Zeiten wir leben, Vergangenheit und Zukunft verloren. Das Heute sich selbst gegenüber gleichgültig, zu einem übermächtigen Block erstarrt. Änderungen zum Besseren? Fehlanzeige. Ein darauf gerichtetes Handeln scheint unmöglich und sinnlos. Politische und ökonomische Umwälzungen, der unbarmherzige Realismus einer turbo-kapitalistischen Krisen-Welt. Das heiß laufende Hamsterrad von Leistung und Konsumismus. In aller Übertreibung. Depression und Hedonismus wie die zwei Seiten einer Medaille. Kopflose Befreiungsimpulse, Langeweile, Rituale, Fragmentierung. Das erschöpfte Selbst … – und dann sieht sie sich plötzlich inmitten der Leute. Was sie sagt, scheint niemanden zu erreichen. Sie steht auf, steht mitten im Raum und keine fünf Minuten später draußen an der Haltestelle. Frierend und viel zu dünn angezogen, presst sie den in ihrer Manteltasche steckenden Merve-Band „Absolute Gegenwart“ an die Brust. Vor Wochen ausgeborgt und wieder vergessen, das Buch, endlich zurückzugeben, wird sie heute noch einmal darin lesen.


Photo: Josefine Schulz

SUPI. DANKE. WEITERMACHEN.

Vorgestern, 04:29

Wo?

große bar
hol mich ab

Couch oben
Soll ich ja?
Komme

ich komm.

Vorgestern, 9:54

Na Schatzi was geht?

ab gehts!

Vorgestern, 11:39

Wo?

Vorgestern, 14:07

Wo bist?

Vorgestern, 18:20

wo jetzt?
kein netz.

Vorgestern, 21:21

Wann geht ihr los?

jetzt.

Komme. Garderobe?

yo.

Gestern, 00:31

Na, wie gehts?

Gestern, 01:00

bin in 5min da.

Freude

kommst kurz runter?

Ja

jetzt.

Ich stehe schon an für dich an der Garderobe.

Gestern, 10:25

Gr floor, ganz vorne

ganz vorne dj?

Ja, komm
Sind an der Bar Ecke dj Pult

an den boxen links
komm nochmal her bitte … kleine bar

Als SMS gesendet

Gestern,12:25

dann nehmen wir das.
supi. danke. weitermachen. 

Heute,19:18

Haste mein Basecap eigentlich?


Öl auf Leinwand: Murat Önen

ALSO WIRKLICH

Du glaubst es nicht, der hat nen Tripper im Arsch, wollt ich dir sagen, aber dann warste schon weg, und für die müssen wir wohl erst heiraten, sein Cousin nennt sich jetzt tatsächlich Amanda, weil am besten ist sowieso der Darkroom hinter der Pissrinne, total abgegangen ist die da, will gar nicht schlecht reden, hat der doch gesagt, sollen sie halt Kondome nehmen, na, das glaubste nicht, ist der mit dem Yogalehrer los, sagen die, der hälts nicht aus, angeblich, dann flog der die Perücke weg, kreisch, abgrund-böse fand ich das, und das können so echt nur Schwule, hab den dann im Bona Riah nochmal gesehen, Top oder Bottom, hast du ne Ahnung, die hasst mich so richtig, die alte Quarktasche, die akzeptiert das einfach nicht, wie ein Pudel im Regen, spricht nicht mit mir, seit Monaten schon, so ein Sahneschnittchen, richtig reflexhaft, und wusstest du eigentlich, die machen jetzt beide in Innenraumdeko und der CSD soll ab sofort Pride heißen, sein Ex ist wohl frisch auf PrEP, und seine beiden Lover auch, stell dir vor, die sind immer noch zusammen, sag bloß, grüßt die mich doch einfach nicht mehr, unfassbar, total ausgelacht haben die den, konnte nur Wortfetzen aufschnappen, ist der doch einfach umgekippt auf der Klubnacht, ich war komplett von den Socken, dass ihm seine Mitbewohnerin jetzt einen Harness schneidert, hab gehört, anfassen ist nicht bei dem, ich sag dir, aber irgendwie mag der dich, also echt jetzt mal.



AN DEN BOXEN LINKS

SICH VERLIEREN

im Kosmos von Tanzen, Party und Club. Wie verlieren wir uns ganz, ohne uns zu verlieren und für immer verloren zu sein? Und wie finden wir uns wieder? – An diese Fragestellung versucht die Ausstellung An den Boxen links eine Annäherung. 

Verlieren können und wollen wir beim Tanzen und Feiern oft möglichst vieles: die Kontrolle, die Unschuld, unsere Scheu und Hemmungen, die Rationalität des Alltages, den Faden beim Labern, den Boden unter den Füßen. Nicht alles, kann an der Garderobe abgegeben werden. Einiges wollen wir keinesfalls verlieren: unser Gesicht, unser Mobiltelefon, den Halt (des Gleichgewichts), je nach Situation den Verstand oder die Kontrolle über uns, und eigentlich niemals die Hoffnung! Schwierig, hier nicht den Überblick zu verlieren. Techno birgt das ungemein verheißungsvolle und zugleich gefährliche Versprechen, hier nicht unbedingt nach Orientierung und konkreten Antworten suchen zu müssen.

DIE AUSSTELLUNG

ist ein Kind der Klubkultur Dresdens. Ihre Beteiligten engagieren sich in den Bereichen Bildende Kunst, Performance, Public Health, Label/Klub und anderen subkulturellen Zusammenhängen. 

Konzipiert, in Räumen des Nachtlebens gezeigt zu werden, legt An den Boxen links einen weiteren Schwerpunkt: Einige Motive und alle Texte liegen auf sechs Postkarten (z.T. engl.) vor und werden an ganz unterschiedlichen Orten zu finden sein. Intention ist, die eigene Selbstbezogenheit zu verlassen und einen künstlerischen Zugang zu den uns beschäftigenden Fragen herzustellen. Die Texte geben in ihren Formen als gesampelte Remixe, Manifest oder Smartphone-Chat, einen ergänzenden Impuls, darüber auch zu sprechen (und nicht nur zu schauen). Fragestellungen rund um Party und Feiern sind universeller Natur. Sie dürfen und sollen auch außerhalb von Chill Out, Afterhour und Klub-Backstage diskutiert werden. Auf Entweder-Oder gibt es allerdings oft keine einfachen Antworten. Vielleicht ist das ja ganz gut so.

RÄUME

anzueignen für die uns eigene Art, die Außeralltäglichkeit zu zelebrieren, ist Voraussetzung dafür, selbst zu bestimmen, was darin passiert (und was nicht). Dieser “bewusste Space” befragt sich auch nach den Funktionen, die er von außen zugewiesen bekommt: Ihn können wir ebenso verstehen als die “uns zugewiesene Freiheit”: Hier dürfen wir durchdrehen, wenn übermorgen in der Schule oder auf Arbeit alles wieder läuft. – Dieses repressive Moment gilt es immer wieder aufs Neue zu brechen. Reflektieren ist ein Anfang. Potentiale von emanzipierter Anonymität, auf Transformation zielenden Heterotopien und des sich jeglicher Verwertung entziehende Widerstand des Beats sind unentwegt auszuloten. In diesem Sinne stellen alle den Augenblick auf der Tanzfläche immer wieder neu und aktiv her. Die Qualität des Dancefloors als gap ist seine unendliche Offenheit und unbestimmte Undefiniertheit. 

DER KONSUM

legaler wie illegalisierter Psychoaktiva (und die Bedingungen, unter denen er stattfindet), seine Rauschwirkung und der Einfluss auf unser kollektives Party-Erleben, sind neben vielen anderen wesentliche Aspekte in diesem Prozess, die Lücke immer neu herzustellen. Mit Herausforderungen und Problemen können wir ganz verschieden umgehen. Defizitorientiertheit, ideologische Vorstellungen von “bösen” Drogen sowie die Abstinenzperspektive vieler Hilfsangebote sind einseitig kontraproduktiv. Dagegen versprechen konkrete Maßnahmen der harm reduction, wie akzeptanzorientierte Info-Angebote im Klub, die konsequente Legalisierung aller Substanzen und deren Testung (Drug Checking), Konsumreflektion u.ä. im Party-Kontext wirklich Erfolg. Einstellungsänderungen hin zu einer größeren Akzeptanz und eine strukturell andere Drogenpolitik sind dafür geboten.

Notwendig ist nicht zuletzt die Selbstorganisation von Konsument*innen, um für ihre Anliegen einzutreten. Das Potential dafür liegt in der Szene von Klub und Nightlife selbst, aus der ein von Usern initiiertes Projekt entstehen kann. 

DER UMGANG

mit den Grenzen und dem Entgrenzt-Sein der oder des Anderen beruht in diesem Verständnis auf dem grundlegenden Respekt der Privatsphäre anderer, der (auch verbalen) Gewaltfreiheit in Konfliktsituationen sowie der generellen Gleichberechtigung aller Anwesenden. Jede*r hat das Recht, über sich selbst zu bestimmen. Das geht weit über Konsum/Rausch hinaus und gilt nicht zuletzt auch auf körperlicher, sexueller Ebene. Im Begriff der Awareness kommt zum Ausdruck, dass es eine aktive Bewusstheit und aufmerksame Verständigung über all diese Aspekte braucht. Manchmal benötigt es dafür besonders geschützte Räume oder Regeln, manchmal nicht. So können wir uns – zusammen oder allein – verlieren in der Außeralltäglichkeit von Feiern und Party, ohne verloren zu sein.
Achso, und wo treffen wir uns, wenn wir uns später verlieren? – Na vorn auf dem Dancefloor. An den Boxen links!

T

Draußen allein oder drinnen mitten im Gewühl? – THERESA ROTHE (*1990) arbeitet und lebt in Dresden. Sie  trinkt leidenschaftlich gern Kaffee, gehört zur Generation Bouldern und ist viel draußen. An der HfbK studiert sie Bildende Kunst (Fachklasse Bildhauerei) und wirkt in der Galerie Stephanie Kelly mit. 

Künstlerisch geht sie interdisziplinär vor: Kostüme kollaborieren mit Grafik, Installation tanzen, ihre Malerei performt schon mal. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper, Kuriositäten des Alltags und der voyeuristische Blick sind Gegenstände ihrer Arbeiten.Ihre Reihe Today liest sich wie die Chronik sich immer wieder verändernder Tageszustände. Sie sind Formen des Seins. Ihr Wesen, der schnelle Wechsel von einem zum anderen stehen in Today für den Augenblick, das Heute und somit auch für die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit des Jetzt. Jedes Bild setzt sich mit einem Moment, dem Gefühl des Gerade-Eben auseinander. Sie  ist eine Verbildlichung dessen, was sich durch Sprache jeweils nicht ganz auf den Punkt bringen lässt. Sie sagt: “Zeichnen ist meditatives Durchdrehen. Etwas noch einmal zu zeichnen, heißt für mich, genauestens zu beobachten, was mir beim nochmaligen Betrachten immer noch wichtig erscheint.”

M

House oder Techno? – MURAT ÖNEN (*1993), aufgewachsen in Istanbul/Türkei, ist im Rahmen seines Malerei-Studiums an der HfBK gerade Meisterschüler und lebt und arbeitet seit kurzem in Leipzig. Seine Arbeiten bestehen oft aus collagenhaft zusammengesetzten Szenen, die sich direkt auf das (schwule) Nachtleben beziehen: Locker Rooms, Toiletten, Fetisch-Outfits und natürlich Typen. 

Seine Live Party Paintings (2015 – 2016) sind auf Pornceptual Parties in Berlin und dem gay-queeren Underground-Format Hot Club in Zürich entstanden und thematisieren zunächst das Bilder(fotografier)verbot, das auf Parties häufig (nachvollziehbarerweise) besteht. Murat ist einst selbst aus einem großen Techno-Klub rausgeflogen, weil er aus Versehen den Klubfußboden fotografiert hat. Das brachte ihn darauf, mit seiner Staffelei auf die Party zu gehen. “Das Malen inmitten der Tanzenden war dann eine richtige Show. Das war auch so gewollt. Die erschwerten Bedingungen, das blinkende und v.a. bunte Disko-Licht – ich konnte meine Farben gar nicht sehen! – die räumliche Enge und die starken Reaktionen der Gäste, das alles rückte den Prozess des Malens und eben auch mich selbst in den Mittelpunkt des Geschehens. Das war neu.”Das Bildelement der Masken verweist dabei auf eine subkulturelle Fetischästhetik und bestimmte Rollenvorstellungen, die stark mit Dominanz und Unterwerfung zusammenhängen. Sie versinnbildlichen im Zusammenspiel von Anonymisierung, Sicht- und Unsichtbarkeit auch das Paradox der Gleichzeitigkeit von Geoutet- und Nicht-Geoutet-Sein. Die Masken können in diesem Sinne auch als Ausdruck einer alternativen queeren Überlebensstrategie jenseits des Closets, der einfachen Logik des Verstecks, verstanden werden.

A

Nach Hause gehen? Oder doch noch etwas bleiben? – ALBRECHT WASSERSLEBEN (*1984) ist DJ, Best Boy beim hinreißenden House-Label Uncanny Valley und arbeitet ansonsten in einer Filmagentur. Er hält den charmanten Kleinstadtcharakter Dresdens zugleich für den größten Nachteil der Stadt: die Abgeschiedenheit von den größeren Zusammenhängen, Gedanken und den Zeitgeistern der Welt. Das gilt auch für Bewusstsein und Sensibilität in Bezug auf Gender im Klub-Kontext. “Freiheit in der Entscheidung über die eigene sexuelle Identität bedeutet Verantwortung und Wegfall von Ordnungsstrukturen.” Ausprobieren kann man das in den Bereichen der bildenden Kunst, der  Musik und eben auch mit dieser Ausstellung. Das alles geht aber nicht, ohne auch die eigene Rolle als Typ zu hinterfragen und aus eigenen Fehlern zu lernen.Nicht zuletzt, um Diversität in unseren Szenen mehr zu fördern, organisiert Albrecht derzeit die Dresdner Party-Reihe XXY. Und ohne sein Dranbleiben hätte An den Boxen links niemals den Status einer fixen Idee verlassen.

J

Tag oder Nacht? – JOSEFINE SCHULZ (*1993) liest Just Kids von Patti Smith, pflegt eine große Begeisterung für Interieurs und Tiere und die scheinbar innige Beziehung der Menschen zu ihnen. An der HfbK studiert sie freie Kunst und mischt derzeit in der Galerie Stephanie Kelly mit. Von der Malerei kommend wurde diese für sie zunehmend zur handelnden Figur. Wand als Leinwand, ein Versuch sich den Raum anzueignen, um die sozialen Bezüge darin und auch die Einsamkeit näher zu betrachten. 

Der Arbeitstitel Closer ihrer Serie von Fotografien verweist auf Berührungen, Gesten, Körper und deren Verletzlichkeit. Nah sein, ohne sich wirklich nah zu sein – die nackte Angst vor wirklicher Nähe.So sagt sie: “Im Klub sehe ich Momente, wo alles um mich herum verschwimmt. Die Anwesenden sind sich körperlich super nah und bleiben doch anonym. Oft verpassen wir so das Jetzt.” Entstanden ist Closer aus einer intuitiven Behutsamkeit und der Lust, mit Leuten zu arbeiten. Die Sujets parallel sowohl analog als auch digital zu fotografieren, war hier möglicherweise ein Versuch, sich fotografisch zu verlieren, ohne die dafür notwendige Balance von Nähe und Distanz ganz aufzugeben.

F

Sind das Gegenteil flexibler Routinen statische Aufladungen? DIASHI (*1972), an der Ostsee aufgewachsen, lebte lange in Leipzig und baute dort das queere Kollektiv Homo Elektrik mit auf („Tanzen ist die wärmste Jacke“). Er arbeitete bei den Drug Scouts, einem akzeptierend arbeitenden Drogen-Info-Projekt. Heute ist er aktivistisch bei den Love Lazers unterwegs. Deren Info-Flyer zu New Safer Sex richten sich v.a. an Männer, die Sex mit Männern haben und neben Kondomen weitere Möglichkeiten des Schutzes vor HIV brauchen: “PrEP ist hier gerade die Revolution, aber auch über PEP oder Treatment as Prevention wissen viele gar nichts. Das muss sich ändern!”

Seit Diashi in Berlin lebt, wirkt er im ://about blank als “Zuständiger für Friendship und Atmo”. Er betreibt mit einem Freund das Techno-House-Label Mikrodisko, das vor kurzem ein Tape fürs Crowdfunding des Objekt klein a produziert hat. Diashi hält sich momentan in Tokio auf, um dort einen Mikrodisko-Onigiri zu entwickeln.

R

Reis oder Pasta? – Ach Quatsch, das passt schon. ROGER LEHNER (*1989) ist in der Schweiz aufgewachsen und lebt heute als Grafikdesigner in Dresden. Wenn er nicht gerade beim Klettern oder Kochen ist, ist visuelle Gestaltung sein Alltag. Im Gegensatz dazu geht er gestalterisch oft zweidimensional vor, seine Grafik entsteht aus dem Inhalt. Schriften bringen das besonders zur Geltung: “Ich mag Schriften, ebenso wie Gestaltung, möglichst schnörkellos und konzeptionell, ohne viel Schnickschnack.” Sein eigener Typo-Liebling ist die Schrift Pylon, die er mit einem Grafiker-Kumpel aus Berlin zusammen für einen Kunstraum gemacht hat. Das besondere an ihr ist, dass sie nur für die vertikale Richtung gezeichnet ist, wenn die Buchstaben übereinander stehen (wie bei den Hotel-Schriftzügen an Hausecken), aber nicht funktioniert, wenn man sie waagerecht setzt.

© Love Lazers 2021. Abdruck mit frdl. Genehmigung aller Beteiligten. Copyright für Bild und Text liegt bei den Künstler:innen und bei den Autor:innen. Photos: Josefine Schulz, Illustrationen: Theresa Rothe, Öl auf Leinwand: Murat Önen, alle Texte: Diashi, Layout: Roger Lehner, Idee und Produktion: Albrecht Wassersleben, in Kooperation mit dem Objekt klein a in Dresden Dez 2017.