Für eine Ausstellung/Publikation zur Geschichte der Behandlung von HIV/Aids seit den 1980ern werden alte HIV-Medikamente gesucht. Bitte unterstützt das Projekt. Schickt alte Pillen (einzelne Tabletten oder alte Packungen) ein oder gebt sie in Berlin ab! Für das Projekt Longtime Companion sucht Dorothée Krings außerdem Gesprächspartner:innen.
Hast du noch alte HIV-Medikamente?
Für das Projekte werden verschiedene alte HIV-Medikamente und Pillen gesucht. Von Interesse sind dabei:
- HIV-Medikamente, die nicht mehr auf dem Markt oder schon sehr alt sind
- Medikationen zur Behandlung von opportunistischen Krankheiten (z.B. Soor, Toxoplasmose, Kaposi-Sarkom
- Pillen aus anderen Ländern
- pflanzliche/chemische Ersatzstoffe aus Ländern, in denen die Therapie zu kostspielig war/ist
- oder auch phythotherapeutische Medikamente zur Unterstützung der Behandlung (Konzept siehe unten).
Für das Projekt reichen einzelne Exemplare von Tabletten (auch international). Die Bezeichnung des Medikamentes oder der Beipackzettel sind wichtig, um eine genaue Zuordnung zu ermöglichen.
Interessant sind auch Fotos und alles, was mit alter Medikation zu tun hat, also auch Produktkartons, Beipackzettel, alte Pillenlisten, Rezepte usw.!
Einsenden oder abgeben
Wenn Du eine der genannten Dinge und/oder alte Medikamente hast und abgeben kannst, schicke sie bitte per Post an diese Adresse oder bring sie vorbei:
Longtime Companion Project c/o Timo Müller MANCHECK BERLIN Wilhelmstraße 115 D-10963 Berlin
Alles kann auch anonym (Namen schwärzen!) eingereicht werden. In Berlin ist auch eine Abholung möglich. Dafür und für Anmerkungen, Nachfragen und Beiträge sende bitte eine Mail mit dem Betreff „MEDIS“ an noi@gmx.de
Danke für eure Mithilfe!
Gesprächspartner:innen gesucht.
LONGTIME COMPANION
Ist es nicht an der Zeit, Fragen zu stellen?
Wir leben in einer Zeit, in der uns Krankheit und Tod (und damit verbundene Ängste) und die darauf zielenden politischen Entscheidungen bedrohen. Hier kann uns ein Blick auf die HIV/Aids-Geschichte und die Gesundheitsbewegung der 70er/80er Jahre, die durch selbstorganisatorische und feministisch-emanzipatorische Ansätze geprägt ist, eine Orientierung bieten.
Viele Konzepte von damals, mit grundlegenden Umdeutungen des Herkömmlichen und Anwendbaren, erscheinen heute hochaktuell und können uns zum Handeln in der Gegenwart ermächtigen. Lebensentwürfe und Identitäten wurden offen diskutiert. Das Sterben, und mehr noch das Überleben, wurde öffentlich. Und Privates war unwiederbringlich politisch geworden. Die Erfahrungen und die Geschichte von Selbsthilfe und -organisation können wir nutzen, um uns Wissen anzueignen und Entscheidungen zu treffen, und uns auch ob der aktuellen Herausforderungen zurechtzufinden und zu organisieren. Und das sowohl im Gesundheitswesen wie auch in gesellschaftlichen und gemeinschaftsstiftenden Aspekten.
Durch die Rückbesinnung auf ein Wissen über den Umgang mit Gesundheit, Heilung, aber auch mit Krankheit, Sterben und Tod, sehen wir, wie die Situation immer auch in direktem Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Machtverhältnissen steht. Und auch, dass wir eine Professionalisierung der Care-Arbeit und Pflege nicht gewinnorientierten, neoliberalen Strukturen überlassen können, sondern dass wir die Abhängigkeiten eines maroden und überforderten Gesundheitssystems überwinden müssen.
Ein Ziel kann ein Gesundheitssystem als Commons sein, das für uns alle zugänglich ist, unabhängig von Herkunft, Klasse, Nationalität, Status, Religion und/oder Geschlecht/Gender, in dem alle Dienstleister:innen (auch das Reinigungspersonal) faire Arbeits- und Lohnbedingungen haben.
Strukturen der Selbsthilfe werden hier zentral, um Erfahrungen und Errungenes zu würdigen und Wissen zu teilen. Dieses neue alte Wissen wird über sprachliche, kulturelle und nationale Grenzen hinauswachsen und sich mit anderem ergänzen und verbinden. Auch Aspekte der HIV/Aids-Geschichte und deren heutige Relevanz sollen erforscht werden: Wie wirkt sich der Umgang mit Scham und Angst nach einem positiven Testergebnis in Zeiten von Undetectable und PrEP aus? Wie werden Präventionsbotschaften heutzutage von Pharmaindustrie und Politik geprägt?
Fakt ist, wir können krank werden und sterben. Jetzt befinden wir uns wieder in einer Zeit, in der wir uns Fragen stellen müssen: wie wir uns mit der Endlichkeit des Lebens organisieren, wie wir leben wollen und wie wir mit Krankheit, Alter und Ausgrenzungen umgehen. Und nicht zuletzt auch, wie wir sterben wollen.
Lasst uns gemeinsam diskutieren und uns organisieren!
Für das Projekt Longtime Companion sucht Dorothée Krings Gesprächspartner:innen zu folgenden Themen:
- Erfolgreiche Handlungsweisen und alternative Heilmethoden als Ergänzung zur schulmedizinischen HIV-Behandlung
- politische und emanzipatorische Momente der HIV/Bewegung (ActUp! und andere); von Buyers Clubs in den USA oder Europa
- Krankenpfleger:innen in Zeiten von Kaposi Sarkom, Soor, Vitamincocktails und Infusionen
- Praktiken von treatment as prevention (Nichtinfektiösität dank effektiver Therapie), auch bereits vor der Veröffentlichung der EKAF-Studie
- kostenfreie HIV-Medikation durch Patentbruch (Beispiel Brasilien)
- Patente und Generika im allgemeinen;
alternative Projekte zu Gesundheit/Krankheit/Sterben - die Geschichte des Schulterschlusses schwuler, queerer, feministischer und drogengebrauchender Menschen und eine daraus entstehende Gesundheitsbewegung
- Organisierende und Teilnehmerinnen von VHS-Kursen zur Frauengesundheit
- die jüngere Geschichte von Sexarbeit und deren Selbstorganisation
- Sterbebegleitung, Trauerkultur und -rituale, die zunehmend von Wahlfamilien geprägt werden.
Über Longtime Companion
Die fotografische und dokumentarische Recherchearbeit nimmt sich der Geschichte von HIV/Aids seit den 1980er Jahren bis in die Gegenwart an und wird den medizinischen, politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und Entwicklungen nachgehen. Im Gegensatz zur vorherrschenden Bildpolitik in dem Themenfeld steht jedoch nicht die Abbildung von Menschen im Vordergrund.
Vielmehr wird die Medikation zum Ausgangspunkt, auch die pharmakologischen, diagnostischen und therapeutischen Aspekte aus der Perspektive der Anwendung zu betrachten, etwa einer Tagesmedikation von einer HIV-positiven Person aus unterschiedlichen Jahrzehnten und Ländern.
Die dokumentarischen Fotos der Medikation erlauben eine spezifische Herangehensweise, auf die sich Interviews zu persönlichen Erfahrungen und Biographien beziehen. Zugleich lassen sich Aspekte der Medikation (und der Medikalisierung) widerspiegeln: Kombi-Therapie, EKAF-Studie, PEP und PrEP etc..
Mit der Methode des künstlerischen Forschens soll der Prozess der Normalisierung der Medikation (Langzeittherapien und Prophylaxe) erschlossen werden. Die Zeit bezeugende Personen aus der Gesundheitsbewegung der 70/80er Jahre und alternativen Gesundheitsprojekten ergänzen den Fokus auf die HIV/Aids-Bewegung und schaffen somit einen Bezug zum Heute. Die Ergebnisse werden zunächst im Internet (auf lovelazers.org) und später auch durch Ausstellung und Publikation zugänglich gemacht.
⇢ LONGTIME COMPANION: Interview mit Falk Springer und Stefan Müller
Dorothée Krings
Die diplomierte Sozialpädagogin arbeitete ab 1998 bei unterschiedlichen Aidshilfen und betreute HIV-positive Menschen. Sie befasste sich in den letzten 20 Jahren kontinuierlich mit den neuesten medizinischen Errungenschaften im Feld von HIV-Prävention und -Behandlung und den daraus resultierenden gesellschaftlichen Entwicklungen. Seit fünf Jahren begleitet sie das aktivistische Projekt Love Lazers. Nach einem künstlerisch-gestalterischem Studium an der Kunsthochschule Weißensee seit 2012 und dem erfolgreichen BA-Abschluss 2018, ist Dorothée Krings Mitarbeiterin an der Kunsthalle am Hamburger Platz, einer Institution der Kunsthochschule Weißensee. Künstlerische Berater des Projektes sind Prof. Christoph Wachter und Prof. Mathias Jud.
© Love Lazers und Dorothée Krings, Mai, 2020. Alle Rechte liegen bei der Verfasserin und den Love Lazers. Photo: D. Krings.